Buchkunst ist Veränderung

Buchkunst ist seit jeher Veränderung, sie kennt keinen Stillstand.


Kennen Sie jemanden in Ihrem Verwandten- und Freundeskreis, der heute noch Briefmarken sammelt? Ja? Dann sind Sie sicher eine Ausnahme. Wer schreibt denn heute noch Briefe?

Wer vor 60 Jahren Briefmarken sammelte, war nicht allein. Heute ist dieses Sammelgebiet immer mehr vom Aussterben bedroht. Menschen, die Briefmarken sammeln, sind in der Minderheit.

Betrachtet man die Buchkunst, so kann man dort eine gewisse Parallele entdecken. Der durchschnittliche Sammler ist nach meiner nicht repräsentativen Beobachtungen auf Buchmessen, gut über 50-ig, gut situiert und sehr an Druckgrafik und Buchdruck im klassischen Sinne interessiert.

Befriedigen wir ausschließlich diesen Bedarf, so besteht langfristig die Gefahr, dass aufgrund der biologischen Gegebenheiten die Nachfrage sich in den klassischen Buchkunstbereichen verändern wird. Wir können es uns in vielfacher Hinsicht nicht leisten, uns in unseren Elfenbeinturm zurückzuziehen und dort die Schwarze Kunst hochleben zu lassen.

Kunst, und im Besonderen die Buchkunst steht seit Beginn, für Wandel, Zukunft und Fortschritt. "Denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit" (Johann Christoph Friedrich Schiller 1759 - 1805; Quelle: Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen, 1795, 2. Brief). Nicht umsonst wurde der Kunstfreiheit im Grundgesetz ein großer Stellenwert eingeräumt. Warum sollen wir, die Buchdrucker/-innen und Buchkünstler/-innen, uns dieses verbriefte Recht selbst beschneiden, indem wir ausschließlich den Pressendruck hochleben lassen? Buchkunst ist vielfältig. Buchkunst war schon immer Bewegung, war Visionär.

Wovor haben wir Angst? Die Neuen Medien sind nicht per se schlecht, entscheidend ist, was wir daraus und mit ihnen machen, wie wir diesen neuen Bereich der Buchkunst einbinden in unser Verständnis von Buchkunst.

Betrachtet man die Geschichte der Buchkunst, so zeigt sich eine Konstante und das ist, wie überall, der Wechsel. Schon immer haben sich die Alten gefragt, wird das Neue Bestand haben. Es hatte Bestand, war sogar revolutionär. Eine Idee, einmal geboren, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Das Alte hatte Bestand, bis etwas Neues kam, das für die Zeit besser war. Buchkunst endet nicht mit der Feder des Kalligrafen, dem Messer des Holzschneiders oder dem Schiff des Setzers. Buchkunst geht weiter und nur so wird sie, wenn sie sich beständig verändert, Bestand haben, auch bei denen, die Nachkommen.

Es ist letztlich nicht die Definition entscheidend, was ein Buch ist. Entscheidend ist nicht der Beschreibstoff, entscheidend ist, was wir aus dem Text machen, wie wir ihn künstlerisch umsetzen in der Schriftform sowie in der Größe der Buchstaben und der Form der Illustration. Sogar ein Buch gänzlich ohne Worte, ohne Schrift, kann ein Buch sein. Der Schrift- der Kunstträger, also das Speichermedium, kann neben Ton, Stein, Pergament und Papier auch Digital sein z.B. als CD, DVD, E-Book, Cloud, als Stick oder was es sonst noch geben wird, Möglichkeiten der Speicherung, die wir heute noch gar nicht denken.

Entscheidend ist, dass es uns Buchkünstlern/-innen gelingt, einen anderen Menschen mit unserer künstlerischen Arbeit, hinweg über Raum und Zeit, emotional anzusprechen, dann war unsere Arbeit gut, unabhängig von dem verwendeten Medium.

Buchkunst ist Freiheit!

Gerd J. Wunderer